Von Mönchen und Mäusen

Von Mönchen und Mäusen

zensur-logo-trans150Vor circa drei Wochen wurde ich von einem mir bis dato unbekannten Physiotherapeuten behandelt. Wir kamen ins Gespräch und er fragte mich, was ich so beruflich machen würde. Ich erzählte ihm von ZEN-Sur und unserem Konzept zur Stressprävention durch die Verbindung von alltagstauglichen aktiven und passiven Achtsamkeitstechniken. Nach meinen Ausführungen fragte er mich, wer mir erlaubt hätte, diese Lehren zu verbreiten und vor allem, diese Lehren in Verbindung mit ZEN zu bringen.

Recht verblüfft fragte ich ihn, was er unter ZEN verstünde. Danach polterte er los, dass er für drei Jahre als Mönch in einem ZEN-Kloster in Japan gelebt hätte, sich in dieser Zeit an 376 (vielleicht waren es auch nur 372) Regeln halten musste, sexuell vollständig enthaltsam war und deshalb wohl besser als die meisten anderen Menschen wüsste, was ZEN ist. Was ich denn so gemacht hätte, fragte er mich mit abschätzigem Blick.

Geeky Wood mouse (Apodemus sylvaticus) with curious cute brown eyes looking in the camera on white background

Ich erklärte ihm, dass ich als Ehemann und Vater einem Beruf nachgegangen wäre, bis ich durch einen Motorradunfall zum Rentner wurde. Da ich die Ladung, die hinter seiner Meinung stand deutlich spürte (und ihn zum Nachdenken anregen wollte) fügte ich hinzu: „Ich bin übrigens der Meinung, dass die wahre Herausforderung an Achtsamkeit darin besteht, sie im familiären und beruflichen Alltag zu leben. Im Kloster geht das ja recht einfach, dort hat man sich dem weltlichen Leben und den meisten Stressoren ja weitgehend entzogen.“

Diese Aussage traf natürlich wie ein Stich ins Wespennest. In recht aggressivem Tonfall belehrte er mich über Achtsamkeit und das harte Klosterleben, das einzig und allein dazu geeignet wäre, sein Selbst zu überwinden und ZEN zu leben. Und überhaupt solle ich nicht werten, das stünde mir nicht im geringsten zu. Während seiner Rede piekste er mich immer wieder mit dem Finger in die Rippen, bis ich ihn darauf aufmerksam machte, dass ich das als ziemlich unangenehm empfinden würde.

Er hatte sich derart in Rage geredet, dass er meine Behandlung ganz vergaß, Er führte noch an, dass ohne Regeln keine Achtsamkeit möglich wäre und er über diese ganze Laienspiritualität nur müde lächeln könne. Mit den Worten: „Denken Sie da mal drüber nach!“ verließ er grußlos das Behandlungszimmer. Ich saß noch mehrere Minuten auf der Behandlungsliege und fragte mich, was mit diesem Menschen wohl los sei.

Er präsentierte in seinem Verhalten (meiner Meinung nach) das krasse Gegenteil von dem, was ich unter Achtsamkeit verstehe… OK, ich hätte mir meine Bemerkung über das Klosterleben auch besser gespart, aber dass der Physio-Mönch gleich derart abgeht, hat mich doch sehr verblüfft. Die Unterhaltung beschäftigte mich noch eine Weile, doch als ich zu Hause ankam, hatte ich die Konversation schon fast wieder vergessen. Ich setzte mich mit einer Tasse Tee auf unsere Terrasse zu meinen Kindern, die gerade fasziniert eine Maus beobachteten, die sich an einem Meisenknödel gütlich tat. Ich atmete den Teedampf ein, schaute meine Kinder an und dachte bei mir: Das ist ZEN – wo sind die Regeln?

 

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